Stefan Fichert   2. Text   Puppet Players   Menu

Artikel von Ingrid Zimmermann zur Ausstellung im Bürgerhaus Pullach 1996,

Süddeutsche Zeitung vom 30.10.96, Ausgabe Landkreis München, Feuilleton

STEFAN FICHERT hat seine Eindrücke vom Pilgerweg durch Nordspanien
in stillen, meditativen Bildern festgehalten. Zwei Monate ging er von Frankreich nach Santiago de Compostela.

Photo: Schunk


Nur der Weg ist das Ziel

Stefan Fichert zeigt Bilder, die nach zwei Monaten auf dem Camino de Santiago entstanden sind

Pullach - Zwei Monate war der Gautinger Maler Stefan Fichert mit Haselstecken, Wanderstiefeln und Rucksack unterwegs auf dem legendären Pilgerweg Camino de Santiago. Fast immer ging er allein, morgens mit der Sonne und nachmittags, wenn sie sich im Westen senkte, ihr entgegen. Er wanderte leicht dahin und er haderte, er sah aufmerksam um sich und zählte stumpf die Schritte pro Kilometer. Wieder daheim im Würmtal brauchte er noch einmal zwei Monate Zeit, um seine zum Teil in Skizzen festgehaltenen Eindrücke zu großformatigen Zeichnungen zu verarbeiten. Die 25 Blätter sind jetzt im Bürgerhaus Pullach zu sehen.

Was es heißt, den gesamten Jakobsweg von Frankreich bis Santiago de Compostela mit eiserner Disziplin auf eigenen Sohlen hinter sich zu bringen, davon bekamen die Gäste bei der Vernissage einen Eindruck. Stefan Fichert hatte in den Ruhestunden regelmäßig Briefe an seine Familie geschrieben, aus denen er beschreibende, ganz fein humoristisch gewürzte oder nachdenkliche Textstellen vorlas. So erfuhren die Zuhörer, was bei einer solchen Pilgerfahrt äußerlich zu sehen und innerlich zu erleben sein kann.

Stefan Fichert stammt aus einer Gautinger Künstlerfamilie. Bei einem Aufenthalt in London, der ihn mit dem Marionettentheater "London Puppet Players" vertraut machen sollte. lernte er Susanne Forster, ebenfalls ein "G'wachs" aus einer Gautinger Künstlerfamilie, näher kennen, die er während der gemeinsamen Schulzeit kaum wahrgenommen hatte. Die beiden gründeten die deutschen "Puppet Players", als die sie sich international einen hervorragenden Ruf als Marionettenbühne mit anspruchsvollen Stück ken auch für Erwachsene erringen konnten. Stefan Fichert entwirft das Bühnenbild und gestaltet die Figuren. Sie können witzig und frech oder auch puristisch-streng sein. niemals jedoch pseudoromantisch oder historisierend. Der Maler Stefan Fichert macht keine Kompromisse.

Für die Blätter, die von der Pilgerreise erzählen. hat sich Fichert völlig von der Farbe abgewandt. die in seinem übrigen Werk eine große Bedeutung hat. Ich habe in dieser Landschaft keine Farben gesehen" sagt er. So blieb ihm nur das mönchische Schwarzweiß, das er mit Hilfe von Kohle und weißem Marrnorpigment auf naturfarben getöntes Papier brachte. Um mit diesen beiden Malmitteln zurecht zu kommen, bezog er Wasser mit ein, so daß partieweise ein weiches Fließen die Direktheit der Formen auflöst. Tatsächlich steht immer der Weg im Mittelpunkt. Er zwängt sich an einem Hügelrand entlang, wird rechts und links von einzelgängerischen Baumen gesäumt, schraubt sich in Zickzackform hoch bis zur nächsten Hügelkuppe, teilt als schnurgerades, menschenleeres Band die Landschaft oder begrüßt dann doch einmal ein paar karge Hausfassaden oder einen stillen Platz in einem Städtchen.

Stefan Fichert hat nicht nur keine Farben gesehen, sondern auch keine Menschen. Oder er hat sie zumindest nie so nahe an sich herankommen lassen, daß sie bis in seine Motive vordrangen. Die zwar realistischen. aber expressiv aufgelösten Landschaften haben eine beeindruckende Räumlichkeit. Doch der Stille, von der sie künden, steht merkwürdigenveise eine fast barockhaft anmutende Bewegtheit des Strichs gegenüber. Der Maler hat sich eine Weile erholt vorn Trubel der Welt, aber für eremitenhafte Weltferne ist er doch zu lebendig

INGRID ZIMMERMANN


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