Ursula Steglich-Schaupp:   Vita   Frauenkunst   Presse     Menu

Frauenkunst

Rede von Katja Sebald zum "Kunstwerk des Monats" in der evangelischen Kirche Berg
Pressebericht


Sehr geehrte Damen und Herren,

vor hundert Jahren wurde Louise Bourgeois geboren. Das war ungefähr die Zeit, als Frl. Gabriele Münter für sich und ihren Lebensgefährten, einen vielversprechenden russischen Maler, ein Häuschen in Murnau am Staffelsee kaufte.

Frauen wurden damals in Korsetts geschnürt, sie durften nicht wählen und nicht ohne Erlaubnis ihrer Ehemänner arbeiten – und sie durften vor allem nicht studieren. An der Münchner Kunstakademie konnten sich weibliche Studierende erst ab 1920 ordentlich immatrikulieren, wurden aber vom durchweg männlichen Lehrkörper beargwöhnt.

Frauen sollten lieber handarbeiten. Frauen mussten sogar handarbeiten. Wer ein Taschentuch umhäkelt oder ein Monogramm in die Aussteuer stickt, der kann nicht gleichzeitig lesen und somit nicht auf dumme – beziehungsweise schlaue – Gedanken kommen.

Frauen in der Kunst waren nicht vorgesehen.

Das Genie hat zwar einen sächlichen Artikel, tatsächlich aber ist ein Genie immer männlich und keinesfalls weiblich.

Nicht vor hundert Jahren und auch lange danach noch nicht.

Ja, vor hundert Jahren, werden Sie jetzt sagen.

Was hat das mit uns hier und heute zu tun?

Die Bildhauerin Louise Bourgeois starb vor ziemlich genau einem Jahr. Sie hat sich einen Platz im Olymp der Kunstgeschichte gesichert und ist heute die Künstlerin, die weltweit die höchsten Preise erzielt.

Haben wir es also geschafft?

Dazu ein paar Daten:

Louise Bourgeois ist zwar mit knapp 3 Millionen Euro für eine Skulptur die teuerste Künstlerin der Welt, ihre männlichen Kollegen aber erzielen 10 bis 20 mal so hohe Preise.

Was für die Kunst gilt, gilt im Übrigen auch für alle anderen Bereiche: Auch im Jahr 2010 verdienten Frauen in Deutschland in vergleichbaren Jobs im Schnitt ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen.

Die weiblichen Professorinnen in der über zweihundertjährigen Geschichte der Münchner Kunstakademie lassen sich an einer Hand abzählen.

Auch im Jahr 2010 stammten im Schnitt ziemlich genau 5 % der in Museen ausgestellten Kunstwerke von Frauen, aber immer noch sind 85 % der in diesen Museen gezeigten Akte weiblich. Frauen müssen also immer noch nackt sein, um ins Museum zu kommen.

Der vor hundert Jahren allenfalls vielversprechende Maler Wassily Kandinsky ist der wohl berühmteste Künstler des 20. Jahrhunderts. Gabriele Münter aber wird in der Kunstgeschichte in der Kategorie „Künstlerfrauen“ geführt.

Maria Lassnig, so könnte man jetzt argumentieren, hatte eine Ausstellung im Münchner Kunstbau, ebenso groß wie die von Kandinsky im Jahr davor.

Aber bitte ersparen Sie es mir, die Besucherzahlen zu vergleichen.

„Nichts zieht die Massen zuverlässiger in die Museen als das Märchen vom malenden oder meißelnden Genius“, schrieb die Kunstzeitschrift „Monopol“ im vergangenen Jahr. „Die wenigen Künstlerinnen, die das Zeug zum Blockbuster haben, werden nie Genies genannt. Man schätzt sie hauptsächlich wegen ihrer angeblich weiblichen Qualitäten.“

Und das gilt nun leider auch für die großartige Louise Bourgeois, die wir aber an dieser Stelle endgültig verlassen wollen. Und es gilt auch für unzählige andere Künstlerinnen, die in ihren Arbeiten immer und immer wieder ihr Frausein thematisieren. Das galt schon für Paula Modersohn-Becker, das gilt für Maria Lassnig. Es gilt für die Amerikanerin Cindy Sherman und die Engländerin Tracy Emin, auch für die Französin Sophie Calle.

Was sie machen, ist also Frauenkunst.

Und „Frauenkunst“ ist auch im Jahr 2011 fast so etwas wie ein Schimpfwort.

Die Frage ist nun natürlich : Ist die Kunst von Ursula Steglich-Schaupp auch „Frauenkunst“?


Der Text, den wir gleich hören werden, ist, so viel ich weiß, ein germanistisches Paradestückchen. Vor allem aber ist er eine Parabel über die zwei Seiten des Künstlerseins. Auch die Papierarbeit, die Ursel Steglich-Schaupp uns als Kunstwerk des Monats zur Verfügung gestellt hat, ist eine Parabel über das Künstlersein.

In Kafkas Erzählung „Auf der Galerie“ geht es wie im Werk von Ursel Steglich-Schaupp um eine künstlerische Frauenexistenz. Die Zirkusprinzessin kennt wie die bildende Künstlerin gefeierte Höhenflüge und gefährliche Abstürze. Momente, in denen man abzuheben und zu schweben scheint und in denen alles gelingt. Und dunkle Momente, in denen man meint, den beschwerlichen Aufstieg nicht bewältigen zu können.

Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich meinen, Ursel Steglich-Schaupp thematisiert in der hier gezeigten Arbeit das Frausein.

Ich neige aber dazu zu behaupten, es geht ihr ganz existenziell um das Menschsein, mit dem sie sich in ihrer künstlerischen Existenz auseinander setzt.

Und um das zu verdeutlichen, habe ich mich entschlossen, Ihnen anstatt einer schnöden Biografie einige Sätze aus einem Interview vorzulesen, das ich vor einigen Jahren mit Ursel Steglich-Schaupp gemacht habe.


Auf die Frage nach ihrem künstlerischen Werdegang antwortete sie damals:


„Ich habe die künstlerische Begabung von meiner Großmutter geerbt, aber ich habe wohl nicht so recht an mich geglaubt. Nach einem Jahr an einer privaten Malschule aber habe ich gemerkt, dass mich nichts so sehr interessiert wie die Kunst und habe es gewagt, eine Mappe an der Münchner Akademie bei Herrmann Kaspar abzugeben, der mich zwar erst aus seinem dicken Lehnstuhl heraus niedergemacht hat, mich dann aber doch genommen hat. Erst sehr spät habe ich mich dann entschlossen, Kunsterzieherin zu werden, weil ich frei sein und niemals röhrende Hirsche als Auftragsarbeiten malen wollte.“

Ursel Steglich-Schaupp hat 1995 den Kunstpreis der Stadt Starnberg gewonnen. Auf die Frage, warum sie sich überhaupt dafür beworben hatte - sie war ja eigentlich eine beliebte, durchaus erfolgreiche und vor allem gut versorgte Kunsterzieherin - antwortete sie:

"Ich wollte wohl eine Art Sanktionierung für meine künstlerische Arbeit. Ich war ja voll im Schulbetrieb und wenn ich malen wollte, dann musste ich die Schulsachen vom Schreibtisch räumen. Ich wusste nicht, wie schön das Paul-Thiem-Atelier ist, ich wollte einfach einen Raum haben, wo ich meine Sachen liegen lassen konnte. Es war wie beim Lottospielen: Ich habe natürlich vorher von diesem ,Sechser' geträumt, aber dann konnte ich mein Glück kaum fassen."

Sie hat diese Sanktionierung bekommen, sie war anerkannte Stadtmalerin und brauchte keine Rechtfertigung mehr für ihr Tun. Und trotzdem: "Ich habe das Atelier als erstes mit einem riesigen Tisch möbliert, so groß, dass ich ihn kaum transportieren konnte. Dann habe ich eine Menge sitzender Figuren modelliert, als ob ich das Atelier ,besetzen' wollte. Später sind in dem großen Raum zahlreiche, bis zu vier Meter hohe Papierarbeiten entstanden. Ich habe jeden Tag nach der Schule dort gearbeitet, oft bis in die Nacht. Ich glaube, ich habe erst in dieser Zeit verstanden, dass es nicht um schöne Bilder geht, sondern um den Kampf, den man vor jedem Bild neu bestehen muss."

Und weiter:

"Ich war auf einmal nicht mehr die ,malende Hausfrau’. Ich habe damals gemerkt, dass man nicht ein bisschen Künstler sein kann: Es geht nur ganz oder gar nicht."

Die Kunst, die von Männern geschaffen wird, ist politisch, spielerisch oder konzeptionell. Kommerziell vielleicht oder skandalträchtig. Allenfalls narzistisch.

Noch nie ist jemand auf die Idee gekommen, die Arbeiten von Damien Hirst, Andreas Gursky oder Neo Rauch als „Männerkunst“ zu bezeichnen.

Wenn aber der Künstler, der vor jedem Bild neu um seine künstlerische Existenz ringt, eine Frau ist, macht er dann automatisch Frauenkunst?

Entscheiden Sie bitte selbst.



^ Seitenanfang       Impressum   Datenschutz