Edgar Kappen    2. Text

Besprechung der Ausstellung von Edgar Kappen
in der Galerie Pich vom 22. September bis 20. Oktober 1996
von Ingrid Zimmermann in der Süddeutschen Zeitung, Ausgabe Starnberg

Besprechung von Johannes von Mengen

In einer neuen Dimension

Peter Pich zeigt in seiner Kraillinger Galerie
Arbeiten des Berliner Künstlers Edgar Kappen

Krailling.  Chaos und Ordnung, Ordnung im Chaos und Chaos, das unaufhaltsam die Ordnung aufbricht: Chaosforschung und Quantenmechanik lassen uns langsam mehr davon begreifen, was das fortwährende Ineinanderweben von Energie und Masse zustandebringt, mag es sichtbar werden oder noch immer nur Ahnbares bleiben. Die bildende Kunst kann sich nicht ausschließen von diesem Ineinanderweben, dieser Gratwanderung zwischen der grenzenlosen Freiheit der Intuition und dem bewußt und zwangsläufig begrenzenden Gestaltungswillen. Doch oft ist der Weg in diese fast heilig zu nennende Balance noch nicht gefunden.

Manchmal aber gibt es Glücksfälle, und darunter darf die Ausstellung mit Arbeiten des Berliner Künstlers Edgar Kappen gezählt werden, die zur Zeit in der Galerie von Peter Pich zu sehen ist. Pich war schon, als er noch in Schwabing eineGalerie hatte, auf Kappen gestoßen und konnte den scheuen Maler einmal zu einer Ausstellung bewegen. Jetzt ist es ihm erneut gelungen.

Zwei alte Kataloge, die sich noch hatten auffinden lassen, machen nachvollziehbar, wie sich Edgar Kappen bis zu dem Punkt entwickeln konnte, an dem er heute steht. Seine frühen Formen hatten noch gegenständlichen Charakter, können als Menschenfiguren oder Mischwesen gesehen werden, die jeweils zueinander in spannungsreicher Beziehung standen. Es waren zeichnerisch aufgebaute Strukturen in stillen Farben. Dann löste sich Kappen vom akribisch arbeitenden Stift und wandte sich dem Pinsel und damit auch intensiverer Farbigkeit zu. Der gegenständliche Bezug ging völlig verloren. Der Maler, der seit Jahrzehnten nur seiner Passion ebt, die ihn unerbittlich auf seinem künstlerischen Entwicklungsweg hält, war in einer neuen, anderen, geistigen Dimension angekommen.

Nun liegt es ganz beim Betrachter, was er in diesen Bildern sieht. Zum Beispiel die großformatigen Mischtechniken: In ihnen wird das ausbalancierte Spiel zwischen Freiheit und Struktur am deutlichsten.

Der Hintergrund, häufig in Schattierungen von dunklem Blau und petrol- oder ockerfarbenen Tönungen, birgt unergründliche Raumtiefe, die jedoch niemals statisch ist, sondern immer schwingt in einer lockenden, mitziehenden Bewegung. Davor und zum Teil ebenfalls weit hinein in den Bildgrund reichend, mögen mit dem Pinsel gezeichnete einfache Formen oder heftige Bündelungen in schwarz, rot oder insbesondere weiß Assoziationen wecken, die noch mit der gegenständlichen Weit zu tun haben. Sind es mehrdimensionale "Möbel", die diesen Raum bevölkern und ihm eine selten gesehene Plastizität geben?

In manchen Bildern wird eine ruhige Bestandsaufnahme gemacht: So geht es zu in den anderen Ebenen, die wir nicht sehen. In anderen Bildern wirken nervöse Spannungen hinein in diese Strukturen, Spannungen, die vom Menschen ausgehen, seinem Gemüt, seinen Gefühlen. Zitternde Überreizung ist in diesen Arbeiten, die das Atmen erschweren. Es sind Zwischenphasen, bis wieder ein Stück Freiheit und wieder ein Quentchen Mut zum gestaltenden Zupacken gewonnen wurden und für eine Weile Stille sein darf. Den großen Bildern und den mittelformatigen, klassisch schönen Bildern stehen kleine Formate in knappen, poligen Farbkombinationen gegenüber und die spielerisch Fingerübungen, "Crickles", wie Kappen selbst sagt.

Mit ihnen tastet er sich voran auf immer neues Terrain.

INGRID ZIMMERMANN

Pressefoto von der Ausstellung 1996



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